Diese Pause haben wir uns alle verdient! Nach beeindruckenden, überwältigenden aber auch ermüdenden Tagen in und um Angkor Wat sind wir auf unserem Weg nach Vietnam in einem beschaulichen Ort an den Ufern des Mekong gestrandet. Kompong Cham hat dann in der Nebensaison auch soviel zu bieten, dass wir uns gestern einen vollen Hoteltag gegönnt haben und die vier Wände unseres Zimmers – außer zu den notwendigen Mahlzeiten und einem erfrischenden Nachmittagsspaziergang am Fluss – nicht verlassen haben. Der Regen – ja es hat mal wieder kurz geregnet – hatte die Luft soweit abgekühlt, dass wir uns trotz der selbstverordneten Pause vor die Tür wagten und dem lustigen Dämmerungstreiben der Einheimischen mit Karaoke und Gruppentanz an der Uferpromenade zusahen. Wir haben hierbei sogar einen kleinen Jahrmarkt mit generatorbetriebenen, selbstgebauten Karussellen und einem 5m-Riesenrad entdeckt. Als es um das Einsteigen in die Attraktionen ging, überwog dann allerdings bei Benni und Lene plötzlich die europäisch-angeborene Skepsis ob der zugegebenermaßen klapprigen Gestelle und sie beließen es beim Staunen.
Die Hitze des Tages konnte uns heute aber schon wieder nichts mehr anhaben und wir machten uns mal wieder auf einem Motorroller daran die Gegend zu erkunden. Um am Ende auch den Titel einer echten Studienreise zu bekommen, war das Ziel eine Kautschuk-Fabrik, die uns dann auch sehr anschaulich den gesamten Prozess der Gewinnung des Naturgummis nahebrachte, Ben und Marlene konnten sogar mit einem selbst”gebastelten” Kautschukball spielen und Philip hat nun ein Souvenir mehr im Gepäck zu tragen.
Jetzt aber geht es schon weiter nach Vietnam – dem vorerst letzten neuen Land auf unserer Reise – und da ist es nochmal an der Zeit für eine erneute Liebeserklärung an “unser” Kambodscha. Das wir uns hier so wohlfühlen mag sicher auch daran liegen, dass wir nach knapp fünf Monaten in Asien nun auch kulturell akklimatisiert sind und viele das Leben in diesem Kontinent ausmachenden Eigenheiten besser annehmen können – abgesehen davon, dass die Kinder die vielen Extrastreicheleinheiten von Fremden noch immer nicht übermäßig lustig finden 😉 Darüberhinaus besticht das Land aber durch eine tiefliegende Schönheit, die sich in Landschaft, Kultur und Mimik der Menschen widerspiegelt, die uns jeden Tag aufs Neue begeistert; selbst die seltenen Ausnahmen zu dieser Regel lassen die übrige Zeit bloß heller leuchten und hell ist es hier wirklich oft. Kulturell schießt natürlich Angkor mit seinen zig Tempelanlagen inmitten feinster Dschungellandschaft den Vogel ab und wir müssen auch hier darauf verzichten die Vielfalt, die Ausgefallenheit der Baukunst und die Mystik der Umgebung zu beschreiben, denn schon unsere drei Tage Klettern über Mauern, Entdecken in Ruinen und Stöhnen über noch mehr Tempel reichten bei Weitem nicht aus, diesen Ort zu begreifen. Selbst unsere eher noch kulturskeptischen beiden Kleinen waren sichtbar hin und her gerissen von den unzähligen aber umso spektakuläreren Verzierungen jedes einzelnen Tempels (von Ta Keo mal abgesehen) und wenn es nicht gerade zu heiß zum Einatmen war, war es immer wieder Ben der seine kleine Schwester mit auf neue Entdeckungstouren über Wurzeln und eingestürzte Mauern nahm. Während das Betreten des nächsten Bauwerks meist von einem “Nicht schon wieder Tempel!” begleitet wurde, war das häufigste Zitat vor Verlassen dann oft: “Noch fünf Minuten, Papa”.
Dennoch haben wir nun alle erstmal wieder genug von Tempeln – aber an Land und Leuten können wir uns auch weiter nicht satt sehen. Die Fröhlichkeit dieses Volkes mit einer der mitleiderregendsten Geschichten des 20. Jahrhunderts ist so überaus wohltuend und übertrifft in seiner Offenheit und Ruhe bislang die der anderen von uns bereisten Länder. So ließ sich z.B. eine junge Khmer-Frau auf der Fahrt nach Kompong Cham nicht davon abhalten, der neben ihr sitzenden Reisenden westlichen Ursprungs eine zwanzigminütige Handreflexzonenmassage zukommen zu lassen, während welcher sich das selige Lächeln der Einheimischen auch auf das Gesicht der Behandelten übertrug. Und wir, mit unseren beiden Blonden seit Monaten durchaus an Aufmerksamkeit gewöhnt, freuen uns hier über die uns offen entgegenlachenden Kinderaugen am Straßenrand, wenn wir auf dem Roller vorbeifahren. Nun aber genug der Liebeserklärung – wir wünschen uns und Kambodscha, dass dieser Charakter auch mit dem stetig wachsenden Touristenstrom erhalten bleiben wird und apropos Roller: Der Verkehr ist – wenn auch noch nicht ganz so dicht – doch typisch asiatisch. Insbesondere in den Straßen von Phnom Penh fuhren bei uns neben dem leicht erhabenen Gefühl Teil eines sich stets neu erfindenden und organisierenden Transport- und Mobilitätsorganismus zu sein, so manches Mal auch die Angst ob der immer kleiner werdenden Abstände zum Nachbargefährt und die Sorge um die eigene Fähigkeit – wirklich Teil dieses Organismus sein zu können – mit. Naja, wir haben es geschafft, und morgen stürzen wir uns in ein weiteres Abenteuer – Vietnam. Da wegen der Nebensaison auf unserer Route der Touristenbus ausgesetzt wurde, greifen wir auf öffentliche Verkehrsmittel zurück und werden uns – so das Ziel – mit einer Übernachtung nach Saigon (wir wollen aus Platzgründen erst gar nicht anfangen den offiziellen Namen Ho Chi Minh City zu verwenden) durchschlagen. Wie wir erneut feststellen mussten, bleiben bei dem von uns allen lieb gewonnenen langsamen Reisetempo auch gar nicht mehr so viele Stationen übrig. Wir sind weiterhin selbst gespannt, wie und wo wir diese verbringen werden, fassen aber langsam auch schon wieder die Rückkehr zu unserem Abflugsort Bangkok ins Auge. Wenige Schritte trennen uns zur Zeit auch nur noch davon einen neuen Mietvertrag in Deutschland (!) zu unterschreiben und dann können wir auch offiziell das “Geheimnis” unseres neuen Wohnortes lüften.
Auf bald
dieSteens