Wenn die Schatten verschwinden

Phnom Penh, die Perle Asiens. Sie zieht uns ganz in ihren Bann. Die erste Großstadt auf unserer Reise, die uns freudig und mit offenen Armen zu empfangen scheint. Ihr Tempo, ihre Lautstärke und ihre Größe wirken auf uns weniger erstickend und erdrückend als in den anderen Metropolen. Ein angenehmer Mix aus historisch Asiatischem, kolonial Französischem und modern Kosmopolitischem weht durch die breiten Straßen der Stadt und es wirkt, als ob hier insbesondere die Verbindung aus französischem und asiatischem Charme überaus gelungen sind. So ist selbst das breite Grinsen des zweiundfünfzigsten TukTuk-Fahrers, der uns in der Hoffnung auf eine gewinnbringende Fahrt mit den Worten “TukTuk my friend? Very cheap!” anspricht, nicht wirklich aufdringlich und auch wir begegnen ihm noch mit einem freundlich lächelnden “No, thank you!”. Selbst Philip, bislang eher als frankophob bekannt, kann nicht leugnen, dass es sich hier mit dem leicht französischen Einschlag inklusive Baguette, Croissant und laissez faire ganz gut aushalten lässt, wobei laissez faire und der Hang zu ungebremster Selbstorganisation ja für ganz Asien zu gelten scheint. Aber auch für Kinder und unsere beiden Racker hat die Stadt genug zu bieten, so läßt sich zuerst einmal fast alles zu Fuß erreichen (verzeiht, ihr TukTuk-Fahrer), noch dazu haben die zahllosen Hilfsorganisationen für eine gleichmäßige Versorgung mit Spielplätzen in jedem Stadtviertel gesorgt und so verbringen wir die Tage hier nun zwischen Tempeln, Klöstern und Königspalästen mit regelmäßigen Spielpausen auf Rutschen, Klettergerüsten und Schaukeln. Doch selbst die kambodschanischen Sakralbauten mit ihren ureigenen und reichlichen Verzierungen faszinieren Beni und Lene und bislang ist nach unserer ausführlichen Kulturpause am Meer noch nichts wieder zu spüren von Tempelmüdigkeit, wie noch vor wenigen Wochen in Nepal. Selbst den Besuch im übersichtlichen und schönen Nationalmuseum absolvierten die Zwei mit mehr Interesse als Ablehnung. Wir ahnen allerdings, dass unseren Beiden in Angkor Wat – dem nächsten Reiseziel – wieder der “Kulturschock” droht und hoffen, diesem mit Urwaldausflügen, Ruinenklettern und Bootsfahrten begegnen zu können.

Das Einzige, was wir hier vermissen, ist die Regenzeit. Während wir noch in Thailand den Tagesablauf um das tägliche Gewitter herum planten, suchen wir hier den Himmel verzweifelt nach schattenspendenden und nasse Abkühlung versprechenden Wolken ab, nur um einsehen zu müssen, dass diese zu weit entfernt im Südwesten – vermutlich in Thailand 🙂 – sind. Insbesondere am späten Vormittag ist es hier so heiß, dass Lene in der Kraxe sitzend unter dem Sonnenhut der Schweiß von der Nase tropft, ganz zu schweigen vom Zustand von Papas Hemd eingeklemmt zwischen Kraxe und Rücken. Und es ist immer dann Zeit vom Spielplatz aufzubrechen, wenn die Schatten unter den Bäumen so klein, werden, dass selbst der Kopf keinen ausreichenden Schutz mehr vor der Sonne hat. Dann spielt Phnom Penh seine dritte Trumpfkarte aus, die modern kosmopolitische, und wir ziehen uns in ein angenehm klimatisiertes Eiskaffee am Mekongufer zurück und schlürfen “frozen jogurt” bevor es zum nächsten Tempel oder Spielplatz geht. Nachmittags schaffen es die Wolken bislang zum Glück doch stets über die Stadt und es wird ein wenig angenehmer draußen, doch Regen fällt bislang nur äußerst selten.
Genug vom Wetter! Kambodscha ist auch ausserhalb der Hauptstadt überaus schön und wir sind alle durchweg hellauf begeistert von diesem tropischen Paradies. Ok, abgesehen von Sihanoukville, dem Malle und Ibiza des Landes, das ausser schönen Sonnenuntergängen v.a. Bauruinen und Pauschalurlaubsresorthotels zu bieten hat. Dafür haben wir in nur 30 Auto- und 60 Bootsminuten Entfernung unsere einsame Insel inmitten eines Nationalparks gefunden. Die Anreise wurde zwar von den auch im Golf von Thailand existierenden Gezeiten um rund zwei Stunden verlängert, das erhöhte aber nur den Abenteuercharakter der Tour. Bei Ankunft unseres Taxis herrschte im inmitten unberührter Mangrovenwälder gelegenen Fischerdorf offensichtlich Ebbe, denn das hoteleigene Boot lag mehrere Meter vom Wasser entfernt auf dem Trockenen und trotz hilfloser Versuche der Anwohner selbiges ins Fahrwasser zu ziehenschiebendrücken war uns allen schnell klar, dass es hier mehr als Muskelkraft bedurfte. Die Geduld und Ausdauer v.a. der hungrigen und umgehend von drei bis zwölf einheimischen Kindern umringten Lene und Benni waren gefragt und die Verteilung unserer mitgebrachten Obstreserve wurde zu einem interessanten interkulturellen Ereignis. Nach einer gefühlten Ewigkeit war das Wasser dann soweit gestiegen, dass zumindest der Bug umspült war und die Anwohner begannen umgehend mit einem erneuten “Bergungsversuch”. Philip, der diesen auch tatkräftig unterstützen wollte, stieg mutig mit ins Wasser, war sichtlich überrascht von dem Gefühl kniehoch in körperwarmem Schlamm zu stehen und freute sich, die Latschen vorher ausgezogen zu haben. Die Bergung gelang und das Boot konnte schwimmend zum Landungssteg befördert werden, allerdings nur um nach Beladen mit Gepäck und unseren gut 150 kg Körpergewicht wieder über genügend Tiefgang zu verfügen auf Grund zu laufen. Der Schlamm an den Füssen war zum Glück noch nicht getrocknet und nach 20 Metern weiteren Schiebens und Zerrens war die Fahrrinne erreicht und es ging auf verschlungenen Wasserpfaden entlang wunderschöner Mangrovenwälder hinaus aufs offene Meer. Die übrige Woche nach Ankunft war geprägt von Hängemattenliegen, Schnorcheln, Baden und Muscheln sammeln.

Wenn das alles zu anstrengend wurde, haben wir uns nach dem Essen ein wenig ausgeruht und Benni mit einem der beiden weiteren Gäste – beides Freunde des deutschen Gastgeberpärchens – zum Spielen in den Schweinestall “geschickt”. Wir genossen diese Tage außerordentlich und v.a. Marlene und Ben freuten sich über die Gelegenheit sich mit Fremden mal wieder auf deutsch austauschen zu können, noch dazu gab es Muscheln in Hülle und Fülle und die Eltern genossen das Rauschen der Wellen beim Einschlafen. Nebenbei lernte Wassernixe Lene in den Wellen vor Koh Thmei auch noch das Schwimmen. Bravo! Die Rückfahrt zum Festland brachte ausser ein paar Delfinen, die das Boot passierten keine großen Abenteuer und auch die folgende Weiterfahrt nach Kampot, dem Herkunftsort des weltbesten Pfeffers, verlief, abgesehen vom Einkaufsschnäppchen des Jahres (insg. 2,5 kg Mangos, Bananen und Drachenfrucht für 1,25 $), ereignislos. In Kampot tauchten wir dann wieder für einige Tage ins Khmer-Leben ein, schlenderten über uns mittlerweile durchaus vertraut chaotische Märkte, aßen Maiskolben an Straßenküchen und ließen uns mit dem TukTuk durch die Gegend kutschieren. Nebenbei gab es mal wieder eine für unseren Hobbyentdecker Benni spannende Höhle zu besichtigen und wir gingen nicht bloß sprichwörtlich dorthin wo der Pfeffer wächst.
Nun, nach der Weiterfahrt über Land in die Hauptstadt und nach gut zwei Wochen im Land, können wir sagen, dass uns Kambodscha voll und ganz gefangen nimmt. Es hat den kleinen Anflug von Reisemüdigkeit davon geweht und wir freuen uns wieder auf jede neue Entdeckung und jedes Erlebnis mit den Menschen und der Kultur. Die Weite der Landschaft erinnert manchmal an das durch Horizonte geprägte Schleswig-Holstein – abgesehen von den Palmenhainen um jedes Grundstück, aber immer wieder steigen dicht bewaldete Hügel aus den Feldern empor und erinnern daran, wie es auch in den Ebenen vor Beginn des Ackerbaus ausgesehen haben mag. Und dann ist da noch das Wasser. Überall durchziehen Flüsse und Kanäle das Land und lassen die Landschaft trotz tropischer Hitze und Trockenzeit leuchtend grün erstrahlen. Verziert wird dies Bild durch die zahllosen, scheinbar gleichmäßig über das Land verteilten buddhistischen Tempel und Klöster, die mit ihren goldenen Dächern und bis ins Unendliche verspielt wirkenden Verzierungen dem Ganzen einen surrealen, manchmal leicht kitschigen Anstrich geben.

Kambodscha wir sind begeistert von Dir und genießen weiter jeden Tag…
Auf bald
dieSteens

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